VHS- Arbeitskreis Güntersleben "Geschichte und Geschichten"

Entstehung und Entwicklung einer Gärtnerei in Güntersleben         

Nach den statistischen Unterlagen in unserer Gemeinde zählte man in Güntersleben im Jahre 1900   1161 Einwohner. Die Mehrzahl der Bevölkerung lebte zu dieser Zeit von der Landwirtschaft. Nur wenige Bürger gingen einem anderen Berufe nach. Aber auch diese Minderheit war im Besitz kleiner Ackerflächen, auf denen sie die Grundnahrungsmittel: Kartoffeln und Brotgetreide für den Eigenbedarf anbaute.

Mit wenig Ausnahmen gehörte um diese Zeit zu jedem Gehöft ein kleiner Hausgarten, in dem die Bäuerin für den eigenen Haushalt in den Sommermonaten Salate, Suppengrün und einfache Gemüsearten anbaute. Soweit man für ein Hausgärtchen keinen Raum fand, besaß man am Bach entlang eine kleine Parzelle, die die Flurbezeichnung: Kopesland trug. Diese kleinen Grundstücke, die nicht umzäunt waren, wurden wie ein Hausgärtchen bewirtschaftet. Man hat dort auch Futterpflanzen angesät und bei günstiger Witterung ausgerupft und im Hackflur ausgepflanzt.

Die "kleinen Leute", die in Miete wohnten und weder Garten noch Kopesland besaßen, waren auf die Barmherzigkeit der Hausgarten­ und Kopeslandbesitzer angewiesen, wenn sie von deren Überschuß etwas erheischen konnten.

In Güntersleben gab es zu dieser Zeit weder eine Gärtnerei noch ein Ladengeschäft, das Gemüse, Salate oder Blumen feilbot. In dieser Situation entdeckte der Gärtner Josef Klos, geb. am 26. 10. 1893, eine Marktlücke, die ihn bewog, eine Gärtnerei zu eröffnen.

Josef Klos, Klos Sepp genannt, verbrachte als Vollwaise seine Jugend in einer Waisenanstalt in der Pfalz. Dort hat er auch den Beruf eines Gärtners erlernt und kam anschließend nach Estenfeld. Im Jahre 1919 verheiratete er sich mit der Günterslebener Bürgerstochter Anna Issing und übersiedelte nach Güntersleben. Zunächst arbeitete er berufsfremd als Fabrikarbeiter in Schweinfurt. Doch bald ergriff er die Initiative, sich selbständig zu machen. Zunächst erbaute er für sich und seine Familie im Jahre 1921 am Fuße des Deisenbergs ein Einfamilienhaus. Zugleich eröffnete er im Umfeld des Hauses eine kleine Gärtnerei. Seine Erzeugnisse vermarktete er in den Anfängen selbst. Wöchentlich fuhr er zweimal mit einem Handwagen, den sein Sohn Rudolf ziehen musste, von Gasse zu Gasse durch das Dorf und bot seine Produkte feil.

Eine Gärtnerei konnte jedoch von dem geringen Gemüsebedarf der "kleinen Leute" nicht existieren. J. Klos war deshalb bestrebt, seinen Betrieb auszuweiten. Dies gelang ihm am Würzburger Grünen Markt, wo er seine Produkte günstig absetzen konnte. Mit viel Mühe und Fleiß wurden frühmorgens um 4.00 Uhr Salate und Gemüse aller Art geerntet, in Körbe verpackt und mit den Linienbussen nach Würzburg geliefert. Dabei kam es ab und zu vor, daß ein vollbepackter Korb auf unerklärliche Weise verloren ging. Um diesen Übel abzuhelfen, schaffte sich Klos im Jahre 1936 einen Dreiradwagen, einen sogenannten Tempo an und beförderte seine Ware selbst. Allerdings gab es bis zu diesem Zeitpunkt noch viel zu tun.

Im Jahre 1926 erwarb er von dem Schreinermeister Peter Köhler ein ca. 1500 qm großes Grundstück am Deisenberg, das er zu einem Gartenland umfunktionierte. Zunächst legte er auf dieser Ackerfläche 20 Kastenbeete an, für die Köhler das Material lieferte. Gleichzeitig lieferte dieser dazu die erforderlichen Kastenfenster. Die Bevölkerung im Dorfe war um diese Zeit auf 1330 Einwohner angewachsen und hatte die Gärtnerei gut angenommen.

Für die erweiterte Gärtnerei benötigte Klos eine Wasserleitung, denn sie lag am Hang, wo es keinen natürlichen Wasserzufluß, gab. Mit unermüdlichem Fleiß und enormer Schaffenskraft und der Zuversicht auf ein künftiges Gelingen hoben Klos und seine Frau Anna in harter Handarbeit einen 150 m langen Graben für die Verlegung einer Wasserleitung aus, um die Gärtnerei zu bewässern. Diese Leitung, die in einer Halbzollstärke verlegt wurde, erwies sich alsbald als zu schwach. Sie musste im Jahre 1937 wieder ausgegraben und durch eine neue mit 1 1/2 Zoll starken Rohren ausgetauscht werden. Der Austausch geschah wiederum in Handarbeit zu der auch der Sohn Rudolf herangezogen wurde. Im gleichen Jahr erwarb Klos vom Adam Ziegler einen weiteren Acker am Deisenberg mit ca. 2000 qm. Auch diese Ackerfläche wurde der Gärtnerei einverleibt und zu einem Gartenland kultiviert. Am 21.12.1949 konnte Klos weitere 2082 qm Ackerfläche von dem Postillion Valentin Stieber durch Kauf erwerben. Dieses Grundstück wurde ebenfalls der Gärtnerei zugeordnet. 

Im Jahre 1956 starb Josef Klos, der Initiator der Gärtnerei. Sein Sohn Rudolf, geb. am 17. 6. 1920, der im elterlichen Betrieb als Gärtner eine Lehre abgeschlossen und im Jahre 1949 sich als solcher in der Bayerischen Lehranstalt für Wein-, Obst- und Gartenbau mit Erfolg der Prüfung unterzogen hatte, übernahm im März 1957 den elterlichen Betrieb.

Gleich seinem Vater erweiterte und modernisierte Rudolf Klos als strebsamer Gärtner den übernommenen Besitz. Am 12.11.1959 kaufte er von dem Landwirt Emil Wolf ein Grundstück, 1300 qm groß, das an der Gärtnerei angrenzte.

1966 erwarb er von dem Schmiedemeister Emil Fleder eine kleine Parzelle am Rande der Gärtnerei von 270 qm. Im Zuge der Flurbereinigung in den Jahren 1961 bis 1969 tauschte er seine Ackerfläche in der gemeindlichen Flur gegen solche in der Nähe seiner Gärtnerei ein, so daß der Gärtnereibetrieb heute eine Fläche von 1.019 ha ausweist.

In der Gärtnerei entstanden zwei große Gewächshäuser und unter seiner Regie im Jahre 1955 ein Treibhaus. Die betriebliche Überwachung dieser Anlagen nötigte Klos im Jahre 1963 zum Erbauen eines neuen Wohnhauses mit integrierter Kranz- und Blumenbinderei auf dem Gärtnereigelände. Die bisherige Wohnung, die der Vater Josef Klos erbaut hatte, wurde aufgegeben und der Erlös in den Neubau investiert. Kraftfahrzeuge und Maschinen für den Garten- und Pflanzenbau wurden Zug um Zug unter harten privaten Entbehrungen angeschafft, um die Gärtnerei zeitgemäß zu bewirtschaften und konkurrenzfähig zu halten.

Im Jahre 1985 übergab Rudolf Klos die Gärtnerei seinem Sohn Bernd, der diese heute verantwortlich führt. Bernd hat von 1965 bis 1968 in der Bayerischen Lehranstalt für Wein-, Obst- und Gartenbau Veitshöchheim das Gärtnerhandwerk erlernt und nach seiner Lehrzeit die Prüfung mit Erfolg als Gärtner im Blumen- und Zierpflanzenbau abgelegt. Strebsam, wie sein Vater ist er darauf bedacht, den Betrieb konkurrenzfähig zu erhalten und fortzuführen. Bereits im Jahre 1989 errichtete er ein drittes großes Gewächshaus und zwei große Regenwasserauffangbecken, um Leitungswasser zu sparen.

Durch die Großhandelsgeschäfte, die sich inzwischen in Güntersleben angesiedelt haben, bekam die Gärtnerei eine spürbare Konkurrenz. Dazu wurde Bernd der von seinem Vater gemietete Blumen und Gemüseladen in der ehemaligen Schmiede Fleder zum 1. 5. 1992 gekündigt, so daß er sich genötigt sah, ein neues Geschäft nach modernen Richtlinien in der Gärtnerei zu erbauen und am 1. 5. 1992 in Betrieb zu nehmen. Dort sind seine beiden noch schulpflichtigen Kinder mit leichten, zumutbaren Arbeiten betraut, damit sie Freude an der Gärtnerei finden und diese später einmal in eigener Regie fortführen. Sollte dies gelingen, hätte die Gärtnerei Klos als Familienbetrieb in der vierten Generation ihren Bestand.

 

J. Sch    

 


veröffentlicht in der Günterslebener Dorfzeitung im Jahre 1992

 

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